Zu Beginn der globalen Pandemie äußerte ich in den Coronavirus-Threads hin und wieder die Vermutung, dass der Ausbruch von neuen Hungerkrisen bei Weitem mehr Todesopfer rund um den Globus fordern könnte als das neuartige Coronavirus selbst. Inzwischen beginnt sich abzuzeichnen, dass an dieser These durchaus etwas dran zu sein scheint.

Einerseits sind riesige Heuschreckenschwärme mancherorts noch immer dabei, teils riesige Agraranbauflächen abzufressen und potenzielle Ernten zu vernichten. Ich hatte mich hierüber zuletzt mit einer Reihe von mir bekannten Landwirten in Kenia, die Privatparzellen in der Mount-Elgon-Region an der Grenze zu Uganda bewirtschaften, unterhalten.

O-Ton der getätigten Aussagen dieser Landwirte war es, dass die immensen Anbauerfolge, auf welche die kenianische Agrarwirtschaft über die vergangenen Jahre geblickt habe, nicht selten zunichte gemacht worden seien, während der Unglaube über einen persönlich empfundenen Mangel an Unterstützung durch die Vereinten Nationen vielerorts groß ist.

Es wird die Frage in den Raum geworfen, weswegen die UNO eigentlich einen Ableger in der kenianischen Hauptstadt Nairobi betreibe, in dessen Fokus vor allem das Umweltprogramm stünde, wenn es der Organisation letzten Endes nicht möglich gewesen sei, vor Ort bei der Bekämpfung „dieser Plage“ unterstützend einzugreifen und mit anzupacken.

Da ich in den letzten Jahren selbst öfters mal in dieser Region zugegen war und weite Teile des Central Rift Valley und Westkenia samt des Agrarumschlagplatzes Kitale besucht habe, konnte ich mir ein gutes Bild über die Anbaumethoden und den Feldfruchtanbau in dieser Region machen, wo unter anderem Haupterzeugnisse wie Mais, Weizen, Bananen, Bohnen und Sorghum angebaut werden und darüber hinaus auch die Milchviehwirtschaft gut gedeiht.

Die extra in der Region um Kitale errichteten Lagersilos ließen sich im laufenden Jahr immer schwerer befüllen, da die Ernteerträge aufgrund der Heuschreckenplage und den Coronavirus-Lockdowns deutlich abgenommen hätten, wie mir berichtet wurde. Ich zeige Ihnen in der Folge gerne einige selbst über das letzte Jahrzehnt aufgenommene Bilder aus der fruchtbaren Region am Beispiel von Kipsokwony in der Region Mount Elgon.

Und so verwundert es auch nicht, dass die Preise für Agrar- und Landwirtschaftserzeugnisse in Kenia inzwischen teils spürbar gestiegen sind, was sich aufgrund der langen Transportwege derzeit vor allem in der Küstenregion des Landes noch mehr als im Inland bemerkbar mache.

Weltweit sieht es momentan nicht viel besser aus, wenn wiederholte Warnungen des World Food Programs der Vereinten Nationen berücksichtigt werden, laut denen es schon bald zum Ausbruch einer Hungerkatastrophe von biblischen Ausmaßen auf der Welt kommen könnte.

Es erweckt den Eindruck, als ob sich diese Prognose aus dem April dieses Jahres bewahrheiten würde, da es vor allem auf dem afrikanischen Kontinent mancherorts bereits bald zu einem Ausbruch von Hungeraufständen kommen könnte. Auch in manchen Teilen Asiens erweist sich die Lebensmittelversorgung inzwischen als brenzlig.

Mit ein Grund hierfür sind nach wie vor unterbrochene Lieferketten, eine zeitlich ausgedehnte Dürre in einigen Regionen Thailands und die hauptsächlich in Zentralchina zu beobachtenden Überschwemmungen am Unterlauf des Yangtse-Stroms, während mancherorts ebenfalls noch immer Heuschreckenschwärme ihr Unwesen treiben.

Hinzu gesellt sich die in China grassierende Afrikanische Schweinegrippe, der bedeutsame Teile der heimischen Bestände im Schweinemastbereich mittlerweile zum Opfer gefallen sind.

Importe werden angesichts und trotz der weltweit angeschlagenen Lieferketten aus aktueller Sicht also immer wichtiger, während einzelne Reisausfuhrländer den Export dieses Agrarguts bereits vor mehreren Monaten entweder bedeutsam eingeschränkt oder teils sogar komplett auf Eis gelegt hatten, um die Versorgung der eigenen Bevölkerungen in den Vordergrund zu stellen. 

In diesem Kontext hat auch ein jüngst publizierter Bloomberg-Bericht meine Aufmerksamkeit gefunden, in dem es heißt, dass ein Wiederanstieg der Armut zur Rückkehr des Hungers in weiten Teilen Lateinamerikas geführt habe. Diese Krise erstrecke sich zurzeit von Mexiko bis hinunter nach Feuerland. 

Schlimm an der aktuellen Situation sei, dass der Hunger in dieser Weltregion im Lauf der vergangenen Jahrzehnte bereits für besiegt erklärt wurde. Aktuell ließe sich laut Bloomberg hingegen beobachten, dass Lebensmittelknappheiten auf dem gesamten Kontinent um sich griffen, heißt also von der Spitze Zentralamerikas bis hinunter nach Südamerika. 

Selbstverständlich sind es wieder einmal die ärmsten Bevölkerungsschichten, die von dieser Situation am stärksten betroffen seien. Und diese Krise wird sich unter Bezugnahme auf das World Food Program der Vereinten Nationen noch stärker ausweiten.

Die genannten aktuellen Prognosen sehen vor, dass die Anzahl der Menschen in Lateinamerika und dem karibischen Raum, die einer akuten Unterversorgung in Bezug auf wichtige Erzeugnisse im Lebensmittelbereich ins Auge blickten, in den kommenden Monaten um 270 Prozent klettern wird.   

In führenden Industrieländern wie den Vereinigten Staaten lassen sich ähnliche Probleme beobachten, wenn bislang auch nicht in einem solch dramatischen Ausmaß. Supermärkte und Lebensmittelgeschäfte gaben jedoch zuletzt im ganzen Land bekannt, ihre Bestände über die vergangenen Monate massiv aufgestockt zu haben, um jenen im Frühjahr zu beobachtenden Knappheiten mit allen Mitteln entgegenzuwirken, falls es zu einer erneuten Ausbreitung des neuen Coronavirus in den Wintermonaten kommen sollte.

Wenn nun selbst schon der Sender CNN vor möglicherweise entstehenden Güterknappheiten in den USA warnt, sollte die Situation mit dem gebührenden Ernst zur Kenntnis genommen werden.

Das Wall Street Journal nimmt Bezug auf den Verband der Lebensmittelgeschäfte, laut dem Supermarktfilialen und Lebensmittelgeschäfte aller Art inzwischen damit begonnen hätten, sogenannte „Pandemie-Paletten“ in den eigenen Lagern aufzubauen und bestimmte Produkte in hoher Anzahl für den Verkauf zu horten.

Hierzu gehörten insbesondere Reinigungs- und Sanitärprodukte, die in den Wintermonaten zu jedem Zeitpunkt in ausreichender Anzahl zur Verfügung stehen sollen, um die potenzielle Nachfrage unter Kunden hiernach zu befriedigen.

Im WSJ-Bericht wird Darin Pierce, Vizepräsident des Verbands der Lebensmittelgeschäfte, zitiert, laut dessen Aussage eine große Mehrheit der Betreiber von Lebensmittelgeschäften in den USA davon überzeugt seien, dass sich eine zweite Covid-19-Infektionswelle als schlimmstes aller Szenarien, denen die Branche potenziell ins Auge blicken könnte, erweisen würde.

Denn wir lebten mittlerweile in einer Zeit, in der sich die Aufrechterhaltung der allgemeinen Lebensmittelversorgung als immer schwieriger und stressvoller erweise, weshalb es wichtig und unausweichlich sei, die Produktion von kritischen Lebensmittelprodukten in der Heimat anzukurbeln und auf einem so hohen Niveau wie nur irgend möglich zu betreiben.

Wie es im amerikanischen Farm- und Agrarwirtschaftswesen aussieht, hatte ich Ihnen über die vergangenen Monate und Jahre ebenfalls ein ums andere Mal ein wenig nähergebracht. Tatsache ist, dass amerikanische Landwirte und deren Höfe über die letzten Jahre in einer stark zunehmenden Anzahl in die Pleite gerutscht sind.

Der aktuelle Wirtschaftsabschwung hat diese Situation weiter verschärft, da sich wichtige Erzeugnisse im Agrarbereich in Zeiten der ökonomischen Lockdowns nicht mehr an Kunden in der Hotel- und Restaurantwirtschaft absetzen ließen. Was war die Folge? Landwirte gossen beispielsweise ihre erzeugte Milch in hohen Mengen in den Gulli.

Hinzu kommt, dass die staatlichen Unterstützungsleistungen größtenteils auf Großbetriebe und hoch industrialisierte Landwirtschaftserzeuger entfallen sind, weshalb die Betreiber von kleinen und mittelgroßen Höfen der Ansicht sind, dass die bundesstaatlichen Unterstützungen und Hilfszahlungen kaum einen Beitrag dazu geleistet hätten, ihren Betrieben finanziell unter die Arme zu greifen.

Der Grad der Ungleichheit samt der ungleichen Verteilung von finanziellen Hilfsleistungen des Staates offenbart sich also einmal mehr auch im Landwirtschaftssektor des Landes. Im Rahmen des durch Washington initiierten Coronavirus Food Assistance Program, in dessen Zuge bislang rund 16 Milliarden US-Dollar an direkten Hilfen zur Verfügung gestellt wurden, kam ein Großteil dieser Gelder hauptsächlich bei den Betreibern von Großbetrieben an.

Es verwundert kaum, dass die Bankrotte im amerikanischen Landwirtschaftssektor im letzten Jahr ein Acht-Jahres-Hoch erreicht hatten. Experten gehen indes davon aus, dass die im Jahr 2019 in diesem Sektor registrierten Insolvenzen im laufenden Jahr nochmals – unter Umständen gar deutlich – zulegen werden.

„Was heißt das für mich konkret!?“

Trotz der konkreten und ernsthaften Bemühungen zur bestmöglichen Verhinderung von Lebensmittelknappheit muss damit gerechnet werden, dass sich die allgemeine Situation aufgrund der in diesem Bericht beschriebenen Entwicklungen weltweit zuspitzen wird.

Ein Ausbruch von potenziellen Hungerkrisen würde sich wiederum als ernsthafte Gefahr für die Stabilität ganzer Nationen samt einer Bewahrung des sozialen Friedens in Teilen unserer Welt erweisen.

Es bedeutet zudem keineswegs, dass eine vergleichbare Situation nicht auch auf manche westlichen Industriestaaten zukommen könnte. Denn sollten führende Schwellenländer den Export von bestimmten Anbauprodukten in der Landwirtschaft noch stärker einschränken oder gar in Gänze verbieten, könnte es im Hinblick auf diese Produkte auch ganz schnell zu spärlich bestückten oder gar leeren Supermarktregalen hierzulande kommen. Teils drastisch steigende Preise wären in einem solchen Fall die unmittelbare Folge.  

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